Ziele

Theologie mit dem Gesicht zum Tier

Die Theologische Zoologie versteht sich als Erweiterung einer bis dato hauptsächlich anthropologisch orientierten Theologie. Tiere werden in ihrem Eigenwert und mit der Wertschätzung betrachtet, wie sie durchaus auch in den biblischen Texten zum Ausdruck kommt. Das Projekt einer ›Theologie mit dem Gesicht zum Tier‹ teilt Gemeinsamkeiten mit den Anliegen der philosophisch-säkularen Tierethik und weist zugleich über diese hinaus. Sie will nicht nur ethische Fragen des verantwortungsvollen Umgangs des Menschen mit Tieren und der Schöpfung als Ganzem thematisieren, sondern die Bedeutung klären, die das Verhältnis des Menschen zu den Tieren für sein Selbstverständnis als Mensch hat – auch und gerade dann, wenn sich der Mensch als ein spirituelles Wesen mit einem bewussten Verhältnis zu Gott versteht.

Bereits die Begrifflichkeit legt nahe, dass es sich bei der Theologischen Zoologie um ein interdisziplinäres Projekt handelt, das neben naturwissenschaftlichen, insbesondere verhaltens- und evolutionsbiologischen Aspekten, auch genuin geisteswissenschaftliche Sichtweisen, Deutungen und Interpretationen dieser Erkenntnisse einschließt.

 

Die Arbeit des Instituts für Theologische Zoologie steht für einen fundamentalen Paradigmenwechsel. So etwas geht freilich nie ohne Schmerzen und Polemik ab. In einem Jahrzehnt oder höchstens zwei wird für alle, die nachdenken mögen, offen vor Augen liegen, was da an Zukunftsträchtigem grundgelegt wurde.

Klaus Müller, Seminar für philosophische Grundfragen der Theologie, WWU Münster, in: Jahrbuch Theologische Zoologie, Band 1/ 2014

Theologischer Paradigmenwechsel

Die Theologische Zoologie ist in ihrem wissenschaftlichen Selbstverständnis das Programm zu einem grundlegenden theologischen Paradigmenwechsel. Angesichts dieses umfassend kritischen Ansatzes versteht sie sich als ökologische und politische Theologie.

"Ein Irrtum über die Geschöpfe mündet in ein falsches Wissen über Gott und führt den Geist des Menschen von Gott fort." Das schreibt der Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225 -1274) allen Theologietreibenden in ihr Stammbuch. Demnach ist eine genauere Beschäftigung mit den Mitgeschöpfen des Menschen keinesfalls "Luxus", sondern berührt die zentralen Fragen der Theologie und Spiritualität. Es spricht sehr vieles dafür, dass die neuzeitliche Theologie einem verhängnisvollen Irrtum über das Mitgeschöpf Tier aufgesessen ist. Denn die fast vollständige Ausblendung der in der Bibel omnipräsenten Tiere aus der Theologie und die damit verbundene Attestierung ihrer Irrelevanz führen zu einem verfälschten Schöpfungsbegriff. Eine theologische Würdigung des Tieres möchte diesem Irrtum begegnen und zu einem Perspektivenwechsel beitragen, der sich in folgender Trias zusammenfassen lässt:

1 Mich selber als Mit-Geschöpf und nicht als vom Himmel-Gefallene*n sehen lernen.

2 Allen Mit-Geschöpfen in Augenhöhe begegnen und mich nicht als Herr oder Herrin aufspielen.

3 Mich der göttlichen Wirklichkeit inmitten der natürlichen Mit-Welt aufschließen wollen.

Diese Kerngedanken einer zeitgemäßen Schöpfungstheologie sind überkonfessionell und interreligiös.

Einbeziehung der (Natur-)Wissenschaften

Die Theologische Zoologie wird durch die Forschungsergebnisse zur Mensch-Tier-Beziehung verschiedener Disziplinen bestätigt.

Die Verhaltensbiologie (Zoologie) zeigt in besonderer und vielfältiger Weise, wie nah Tiere dem Menschen im Denken, Fühlen und Handeln sind. Jane Goodall war die erste Verhaltensforscherin, die 1964 publizierte, dass Schimpansen Werkzeuge benutzen. Damals ging ein Aufruhr durch die Wissenschaft: Was trennt uns noch vom Tier? Heute wissen wir, dass sogar der kleine Putzerfisch den sog. Spiegeltest bestanden hat und damit auch diese Abgrenzung, nur der Mensch verfüge über eine Selbstwahrnehmung, hinfällig ist.

Über die Ökologie wissen wir, wie wertvoll sogar das kleinste Insekt für eine gesunde und fruchtbare Pflanzenwelt sowie für unsere Nahrung ist: Mücken bestäuben Pflanzen wie Kakao, Mückenlarven filtern Wasser, Bienen bestäuben jeden dritten Bissen unserer Nahrung. Jedes noch so kleine Tier hat seine Nische, folgt einer bestimmten Ordnung und hat seinen eigenen Wert im Gesamt, unabhängig davon, ob der Mensch das Tier mag und als „nützlich“ empfindet.

Die Tiergestützte Therapie zeigt, wie Tiere Herzen öffnen, die Atmosphäre heben und allein durch ihr Dasein „heilende Helfer“ sein können.

So ist die Einbeziehung anderer Disziplinen eine wichtige Grundlage der wissenschaftlichen Forschung des ITZ.

 

Vermittlung von Erfahrungswissen

Ein wichtiges Ziel des Instituts für Theologische Zoologie ist die Vermittlung von Erfahrungswissen, d.h. die individuelle Erfahrung von Begegnungen mit Tieren und der natürlichen Mit-Welt des Menschen.

Für die Beziehung von Theologie und Natur ist eine wichtige allgemein-theologische Prämisse von großer Bedeutung: Persönliche Naturerfahrungen ermöglichen einen induktiven Zugang zur Spiritualität und führen zu Erfahrungswissen, das ein kritisches Hinterfragen theologischer Aussagen und Vorgaben ermöglicht. Ein deduktiver Zugang, ausgehend von religiösen Glaubenssätzen und Dogmen, versperrt dagegen den eigenen, unmittelbaren Zugang zu Wahrnehmung und Erfahrung. Das Sich-Einlassen auf die Begegnung mit einem Tier oder eine andere unmittelbare Naturerfahrung führen zum Staunen, z.B. auch über die Fähigkeiten und Aufgaben ganz kleiner, scheinbar unbedeutender Lebewesen. Nicht grundlos sprechen die monotheistischen Weltreligionen davon, dass Gott nicht allein durch die Heiligen Schriften zu finden ist, sondern sich ebenso in der gesamten Schöpfung offenbart.

Das ITZ bietet Erfahrungsräume, verschiedene Bildungsformate und Materialien an, die ein Erfahrungswissen zum Miteinander von Mensch, Tier und Natur ermöglichen und kultivieren.

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