Landschaftsökologie und Theologische Zoologie

Institute aus Münster verknüpfen sich

Mittlerweile seit drei Jahren kooperiert die Arbeitsgruppe Angewandte Landschaftsökologie/Ökologische Planung des Instituts für Landschaftsökologie der Universität Münster nun mit dem ITZ. Der Beginn der Zusammenarbeit datiert in den Mai 2020: Damals waren aufgrund der Corona-Pandemie alle Aktivitäten in der Natur verboten, Schulen und (Wald)Kindergärten geschlossen, Naturpädagog*innen ohne Beschäftigung. In der Digitalisierung liege die Zukunft - sagte man. Es kann nicht so weiter gehen – sagte man aber auch. Also überlegten wir, wie es dennoch weitergehen kann. Wir reden in den Nachhaltigkeitswissenschaften von der "doppelten Sprachlosigkeit" - die der Mitgeschöpfe und die der zukünftigen Generationen. Begegnungs-, Umwelt- und Naturpädagogik möchten beide zum Sprechen bringen und bergen jeweils in sich die Möglichkeit, die Dichotomie der Moderne (das getrennt sein des Menschen gegenüber der Natur) zu überwinden. Immer mehr tritt zu Tage, wie verbunden wir eigentlich sind. 

Mehr und mehr erkennen wir, wie sehr wir Menschen eingebunden sind in das vielfältige Netz aus Leben und Bewusstsein und wie nah wir unseren Mitgeschöpfen in Wirklichkeit sind.

Prof. Dr. Tillmann Buttschardt

So begann im Mai 2020 die Zusammenarbeit mit Rainer Hagencord, den Poitou-Eseln Freddy und Fridolin, der Eselpflegerin Elisabeth Klingseis, dem Imker Konrad von der Beeke und dem interreligiösen „Noachiden“-Team (Dr. Deborah Williger, Rodin Baltaci, Tobias Isaak) des ITZ als eine Studienprojektgruppe des ILÖK sich den Sommer 2020 Zeit nahm, um rund um das Haus Mariengrund Kleinprojekte zu verwirklichen welche das Ziel hatten, Biodiversität zu fördern.

Diese, aus der Not heraus entstandene Zusammenarbeit, entwickelte sich rasch, dynamisch und intensiv: In der Zwischenzeit konnte sie sogar in einem Kooperationsabkommen zwischen Universität und ITZ gefestigt werden. In der Ökologischen Planung forschen wir immer stärker zur sogenannten großen Transformation der Gesellschaft. Letztere erfordert das Verinnerlichen von neuen Positionen und vor allem die Abkehr von alten Paradigmen. Mehr und mehr erkennen wir, wie sehr wir Menschen eingebunden sind in das vielfältige Netz aus Leben und Bewusstsein und wie nah wir unseren Mitgeschöpfen in Wirklichkeit sind. Diese „mehr als menschliche Welt“ wird nicht mehr als „Um“welt mit dem Menschen im Zentrum verstanden, sondern als Ganzes, in welchem wir Menschen lebendige Teile sind wahrgenommen. Hier kommt es auf Kooperation an, nicht auf Gegnerschaft; auf Augenhöhe, nicht auf Überlegenheit; auf Ko-Kreation, nicht auf Ausbeutung. Vor allem benötigen wir für diesen Paradigmenwechsel andere Werkzeuge der Erkenntnisgewinnung. Wir müssen unsre Sinne der Natur gegenüber schulen und wachsen lassen. Wir müssen eine Sprache oder vielleicht besser poetische Ausdrucksweise erlernen und verinnerlichen, die auch tiefere Ebenen des Seins, des Geistes und des Seelischen aufschließen.

Hier haben wir in unserer Kooperation im Sommer 2022 neue Wege beschritten. In Münster wurde die Exkursion „Von Tieren lernen – Münster mit anderen Augen sehen“ mit den ITZ-Dozierenden Dr. Judith Krysiak und Markus Bürger entwickelt. Ein viertägiges Format, dass auf bewährten Programmelementen des ITZ basierte und in die Landschaft hinaus erweitert wurde.

Mit einer Exkursion nach Lü im Val Müstair und in den Schweizer Nationalpark unternahmen wir dann gleichsam eine Reise in äußere und innere Landschaften. Neben Musik, Rilkes Poesie und Texten verschiedener Autor*innen ließen wir uns von der Landschaft dieses wunderbaren Ortes inspirieren und bezogen auch Körperwahrnehmungen und -übungen sowie Landart-Kreationen mit ein. Unterstützung erfuhren wir vor Ort von Susanne Hotz, Dr. Aurica Jax und Stephan Britt. Diese Aktivitäten wurden weiter ausgebaut und im Jahr 2023 in Form einer Sommerschule angeboten. >Link zur Ausschreibung

Die Vor- und Nacharbeiten (Textarbeit, Reflexion) finden in Münster statt und die eigenliche Reise in die Landschaften im Val Müstair. Dadurch wird die kurze Zeit im Naturreservat gut gentuzt. Hier finden Sie einige Zitate aus der Reflexion, die zeigen, wie lehrreich und wirksam diese Zeit sein kann.

Die Sommerschule hat sich natürlich zum einen durch die atemberaubend schöne Landschaft um Lü ausgezeichnet. Das Programm war sehr vielseitig und ich habe mich körperlich und geistig ungewohnt stark mit der Natur verbunden gefühlt. Meine wichtigste Erkenntnis aus der Sommerschule ist, dass ich unheimlich viel Kraft aus Stille und dadurch Motivation für Arbeit und Gemeinschaft ziehe. Das hat für mich in meinem Alltag einen enormen Unterschied bewirkt.

Deborah H.

 

Besonders an der Sommerschule fand ich den Zugang zu den besuchten Lebensräumen. Anstelle die Lebensräume mit wissenschaftlichen Methoden auseinanderzunehmen und sich stumpf von morgens bis nachmittags abzurackern, wurde Zeit gegeben und ein Raum geschaffen, um sich ungezwungen mit der Landschaft und sich selbst auseinanderzusetzen. Wer wollte, konnte sich in Philosophie, Achtsamkeit und (Selbst-)Wahrnehmung üben, auf die eigene individuelle Art und Weise. Bedürfnisse durften offen mitgeteilt werden und wurden respektvoll entgegengenommen. Das gab mir das Gefühl gesehen zu werden. Durch das Bewusstsein, dass man sich bei Bedarf rausnehmen kann und keine Leistung erbracht werden muss, konnte ich mich wesentlich entspannter auf Aufgaben, die von mir mehr als Vorschläge verstanden wurden, einlassen. Dabei habe ich erkannt, dass meine Beiträge in jeder Form, mit jedem Grad der Ausführlichkeit und Intensität, bereichernd für die Gruppe sind und das gemeinsame Herantasten an verschiedene Themen und Aufgaben fördern und ergänzen. Es war erstaunlich für mich zu sehen, wie vertraut sich der Großteil der Gruppe in nur kurzer Zeit wurde. Das führe ich unter anderem darauf zurück, dass eine starke Auseinandersetzung mit dem eigenen Inneren möglich war und die eigenen Gedanken und Gefühle mit den anwesenden Personen, die eine überwiegend wohlwollende Haltung zeigten, geteilt werden konnten. Ich konnte für den Moment der Exkursion aus einer außenstehenden Perspektive auf meine Lebensführung in Münser schauen und mit den Impulsen der Exkursion Potenzial erkennen, einen Alltag zu entwickeln, der energiegebender wäre.

Paul B.

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