Rechte der Natur ins Grundgesetz

Eine Chance zur Transformation des anthropozentrischen Weltbildes

Am 1. und 2. Februar 2024 standen die Überlegungen, die Rechte der Natur ins Grundgesetz zu bringen, im Mittelpunkt einer interdisziplinären Tagung im Münsteraner Franz Hitze Haus, bei der das ITZ Mitveranstalter war. Die rund neunzig Teilnehmenden trugen durch ihre Fragen zum Gelingen der anregenden Veranstaltung bei. Gelingt es, die Eigenrechte der Natur in der jeweiligen Verfassung zu verankern und die Natur zum Rechtssubjekt zu erklären, bietet sich die Chance zur Überwindung des auf den Menschen zentrierten Weltbildes und zur Einklagung der Rechte der Natur und ihrer einzelnen Wesen, gemäß ihrer Art zu leben und sich weiterentwickeln zu können.

Sämtliche Kreaturen sind gleicherweise durch die Liebe Gottes gewürdigte Würdewesen. Daraus folgen eigene Rechte der Natur. Und dann steht etwa Lebensrecht des Tieres gegen die Forschungs- und Ernährungsfreiheit des Menschen.

Prof. Anne Käfer

„Die Rechte der Natur ins Grundgesetz“ – Tagungsrückblick

Dr. Peter Mohr vom Netzwerk Rechte der Natur e. V. stellte entsprechende Ergänzungen der Grundgesetzartikel vor:

In Art 1 wird ergänzt: (2) Die Würde der Natur gebietet, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, zu pflegen und zu wahren und den Eigenwert der natürlichen Mitwelt im Ganzen der Natur zu achten.

(3) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten und Rechten der Natur als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.  Nach Art 2 (1) hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt, einschließlich der natürlichen Umwelt … Der Gebrauch des Eigentums soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit und der natürlichen Mitwelt dienen (Art 14). In Art 19 wird als Ergänzung vorgeschlagen: Die Grundrechte gelten auch für die Natur, weil sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Die Natur ist rechtsfähig. Sie ist durch die Gesetzgebung, durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung maßgeblich zu achten und zu schützen.

Nach Dr. Andreas Gutmann von der Uni Kassel hat Ecuador in seiner Verfassung das Recht der Natur verankert, dass ihre Existenz umfassend respektiert wird. Jede Person kann dort von der öffentlichen Gewalt die Einhaltung der Rechte der Natur auf Existenz, Erhalt und notfalls Wiederherstellung verlangen. Prof. Tillman Buttschardt von der Uni Münster betonte, dass wir uns den Veränderungen des destruktiven Kreislaufs der vornehmlich menschengemachten gegenwärtigen Erdgeschichte (Anthropozän) stellen müssen. Wir können nicht aus der Natur austreten, denn wir sind mit allem verbunden. Prof. Anne Käfer von der Uni Münster betonte, dass nach biblischer Auffassung alle Geschöpfe aus Liebe geschaffen und Würdewesen mit gleichwertigen Rechten sind. Der Mensch soll sich der Liebe „untertan machen“ und den Mitgeschöpfen die ihnen zustehenden Rechte geben. Dr. Aurica Jax vom ITZ plädierte für eine Ökotheologie, die destruktive christliche Vorstellungen von Natur und Mensch revidiert und den Menschen in ein Netzwerk des Lebendigen und der mehr-als-menschliche Welt eingebettet sieht. So ergibt sich Potential für Veränderungen inmitten des Negativen.

Als anregender Impulsgeber ist besonders Dr. Andreas Weber aus Berlin zu erwähnen, der dem Dualismus des neuzeitlichen Denkens (hier der Mensch – dort die Natur) das bewährte indigene Denken gegenüberstellte. Er bezeichnete es als Mythos, dass das Leben Kampf gegen die Natur und Egoismus der Kern unser aller Wesen sei. Er geht vielmehr von einer Verbundenheit und geteilten Lebendigkeit aller Wesen aus. Dann wird die Atmosphäre ein Raum des geteilten Atems. Wir Menschen sind als Spezies die jüngsten Geschwister der anderen Lebewesen und können die Realität durch fühlende Teilnahme verstehen. In zentralen Glaubensvorstellungen der indigenen Völker (Ich bin, weil Du bist. - Gegenseitigkeit macht das Sein möglich. - Alles ist lebendig. - Wir müssen die Welt fruchtbar erhalten.) sind alle Lebewesen Subjekte und Leben ist immer geteiltes Leben. Liebe ist kein Gefühl, sondern Handeln.

Zum Abschluss ging es darum, wie wir als Einzelne und als Gesellschaft in ein anderes Denken und Handeln kommen.

Veranstaltende

Die Veranstaltung wurde vom ZIN (konkret: Landschaftsökologe Prof. Tillmann Buttschardt und Theologin Prof'in Anne Käfer) gemeinsam mit der Akademie Franz Hitze Haus, dem Netzwerk Rechte der Natur e.V. und dem Institut für Theologische Zoologie ausgerichtet.

Das ITZ – auf Augenhöhe mit der Mitwelt

Das Institut für Theologische Zoologie in Münster-Gievenbeck will mit seiner Arbeit mit dem Bild des Menschen als „Krone der Schöpfung“ aufräumen. Lehr- und Bildungsangebote zielen auf die Entwicklung neuer Umgangsformen mit Tieren und Pflanzen und die Etablierung eines gesünderen Miteinander ab. Dabei helfen die tierlichen Mitbewohner am Institut, vor allem die beiden Poitou-Esel Freddy und Fridolin.

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